Kiri Karl Morgensternile
Abstract
Liebster Morgenstern!
Die Antwort die Sie mir gestern in Betreff B-s
gaben, hat mich die Nacht durch sehr beunruhigt. Ich bitte
Sie, lieber M., als Mensch u. als Ihr Freund zu bedenken ob
Sie nicht zu viel Werth auf die sonst gerechten Forderungen an den
Philologen den wir uns wünschen gelegt haben. Ich eile Ihnen
daher noch meine gestrigen Gründe ans Herz zu legen, deren Gewicht
mir im gegenwärtigen Augenblick bedeutend erscheint.
Wenn B-f. gleichwohl kein Philolog ist wie wir Einen wünschen, so
kann er bey anhaltender Fleiβe in einem Jahre so viel leisten daβ Sie sich
keinen Vorwurf machen können ihn uns gegeben zu haben
Seine Wirksamkeit in diesem neuen Fache würde uns einige Jahre,
bis zu seiner Emeritierung dauern.
Wir können wohl einen Philolog von minderem Werthe haben so lange
wir sie besitzen; denn nur wenige Studenten trachten nach dem Höheren
in der Philologie; dagegen Viele des Gemeinen in der selben sehr
bedürfen u. ich stelle noch die Frage auf ob ein grosser Philolog geneigt
seyn wird sich mit dem Gemeinen abzugeben? Erwägen Sie neben
dem Glange auch den Zweck der Univ.
So wie die Sachen stehen sehe ich voraus daβ, wenn für Böhlend.
nicht auf diese Art gesorgt wird, die Univ. in das unselige Verhältniβ
gestürzt wird in welchem sie sich bey dem Prozesse der Juristen
befand. Denn Böhlendorf kann nicht mehr der Untersuchung
ausweichen die er prowocirt hat. Es erfolgt eine Untersuchung
nach Heften u. Aussagen der Studenten, deren Werth Gott bestimmen
mag! Und wenn die Sache ohne Untersuchung ablaufen sollte,
wozu vielleicht der Graf aus Anhänglichkeit an die Univ. Neigung
haben mag, welches Beyspiel für seinen Nachfolger von welchem
Niemand uns bürgt daβ er in ähnlichen Fällen mit dem trefflichen
Willen, mit dem redlichen u. echtreligiösen Sinn verfahren wird
der unsren Liewen beseelt!
Dieβ meine Gründe. Sie sehen daβ ich noch nicht das Schiksal
der Familie dazu gerechnet habe, ein Schiksal das auch einiges
Gewicht in die Wagschale legt.
Gott ist mein Zeuge daβ die Sorge, die Ängstlichkeit , die
ich in diese Sache lege, keinen, auch nicht entferntesten, Grund
in meinen persönlichen Verhältniβen hat. Ich weiβ daβ ich
fest stehe.
Noch ist es Zeit, wenn Sie, lieber M., durch die neue Erwägung
dieser Gründe sich veranlaβt finden Ihre gestrige Meynung zu
ändern. Ein Wort an G. Ewers von Ihnen wird die Sache
gut machen. Gott halte über Ihren Entschluβ!
Ihr Parrot
(Im Oct. 1820.
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