Kiri Karl Morgensternile
Failid
Kuupäev
1806-05-09
Autorid
Ajakirja pealkiri
Ajakirja ISSN
Köite pealkiri
Kirjastaja
Abstrakt
Hochgeschätzter Herr College,
Ich habe erst den Tag vor unsers geschätzten Hn Collegen Jäsche Abreise
die beiden Circulare, welche ich an die Directoren des allg. Lehrer-
Instituts absandte, zurück erhalten. Das eine, im Betreff des
Examens der beiden Stud. Wahlberg, ist von Ihnen nicht unter-
schrieben. Nach meinem Ermessen dürfte es wohl nun Zeit seyn, das
statutenmäβige Examen zu veranstalten, so schmerzlich mir auch
jetzt jeder Zeitverlust ist, da ich in diesem Semester fast alle meine
Vorlesungen dupliren muβ. Da unser Freund Jäsche nicht gegen-
wärtig ist, so werden wir allein das Geschäft zu besorgen
haben; u in so fern Sie nicht dagegen sind, so werde ich zu
den nächsten Ferien (zu Pfingsten) die beiden Wahlberg zu mir
bestellen, u sie examiniren. Lassen Sie mir gefällig wissen,
wann Sie die Candidaten einer Prüfung unterwerfen wollen,
damit ich sie in Ihre Wohnung schicken kann. – Kurz vor
dem Schluβ der Vorlesungen werde ich einmal mit dem
Journal der Direction zu Ihnen komme, damit wir in einer
halben Stunde über einige Punkte in demselben uns besprechen
können.
Vor einigen Tagen theilte mir H. Gauger ein Schreiben von Ihnen
mit, worin Sie ihm nur auf einen Theil seiner Forderung
eine Anweisung auf die Bibliotheks-Casse geben. Er klagte,
daβ er dadurch sehr zurückgesetzt würde, u daβ ihm, unter
diesen Umständen, die vom Conseil bewilligte Wohlthat
nicht zu statten kommen könne. Ich konnte nichts dazu sagen,
da ich den Bestand der Bibl. Casse noch nicht kenne. Andere
Arbeiten mögen den Bibl. Secretair abgehalten haben, mir einen
Auszug aus dem Cassabuche mitzutheilen. Mit dem Rector Parrot
habe ich deβhalb gesprochen. – Erlauben Sie, daβ ich jitzt als Freund
u als ein Mann, der gewiβ keine unbilligen Ansprüche macht,
mit Ihnen ein Wort des Friedens rede.
Ich glaube es ist nicht gut, daβ Sie in solchen Dingen, wie gerade
die Gaugersche Sache ist, mit mir durchaus keine Rücksprache nehmen.
Ich würde mich verachten, wenn ich einen Werth auf die Ehre
setzen könnte, nie Ja oder Nein sagen zu können; u ich müβte
nicht die Achtung für Sie haben, die ich wirklich hege, wenn
ich glauben könnte, daβ Sie eine Ehre darin suchen, allein
zu entscheiden. – Die gute Sache ist es, die Sie beabsichtigen;
u Sie sind der Meinung, daβ dieselbe durch jede Art von
Weitläufigkeit leidet. Daβ Weitläufugkeiten durch die Weise,
wie Geschäfte betrieben werden, geschaffen u vermehrt, aber auch
vermindert u völlig aufgehoben werden können, brauche ich
Ihnen nicht zu sagen. Auch bin ich der Mann nicht, der
hartnäckig auf einer Idee beharrte, bloβ weil sie
von ihm kam. Ich entziehe mich keiner Arbeit, wobey ich glaube
nützlich zu werden; u die Formen, die ich mir dabey gefallen
lassen muβ, sind mir um so weniger lästig, da ich immer
mehr einsehe, daβ das Formenwesen sein Gutes hat. –
Was Sie für eine Ansicht vom Geschäftsgange haben, weiβ
ich nicht; aber ich bin überzeugt, daβ die gute Sache
eher gewinnen als verliehren würde, wenn Sie mehr
Zutrauen gegen mich äuβerten. Die nächste Folge davon
würde seyn, daβ ich mit Lust arbeitete; denn aufrichtig
gestehe ich, daβ ich meine Bibliotheks-Geschäfte, unter
meinen übrigen Berufspflichten, am nachläβigsten betreibe; eben
weil ich – nichts zu thun habe. Und zweitens würden dann
Fälle, wie der oben angezeigte ist, nicht statt finden können;
Fälle die mir unangenehm seyn müssen, weil ich mir dabey
wie ein Statist auf der Bühne vorkomme – was ich nicht seyn
will, so lang ich meinen Lebensplan verfolgen kann – u
weil ich durch jede Äuβerung, jeden Schritt, die ich thäte,
collegialische Verhältnisse leicht verletzen könnte.
Zutrauen läβt sich aber nicht fodern, u ob ich es verdiene oder
nicht, davon kann hier nicht die Frage seyn. Ob ich gleiche
Rechte bey Bibliotheks-Angelegenheiten habe – darüber hat
das Conseil entschieden; ob die Pfs. Jäsche u Gaspari den
Auftrag desselben ausgerichtet haben, weiβ ich nicht; mir
ist es einerley. Damals sprach ich sine ira et studio;
in welcher Art – das mögen Freunde u Feinde unter meinen
Collegen erzählen! – Jetzt mache ich Sie auf etwas aufmerksam,
was, wie mich dünkt, nicht ganz übersehen zu werden
verdient. Der Fall tritt öfters ein, daβ ich über Bibliotheks-
Angelegenheiten gefragt werde. So sehr ich es nun auch meinem
Gefühl zuwider ist, dann als Unwissender zu erscheinen, so
würde ich doch auch dazu nicht sagen, wenn ich mich überzeugen
könnte, daβ der Gang der B. Geschäfte wirklich dadurch gewönne.
Aber vorzüglich überlasse ich es Ihrer Beurtheilung, ob Sie es
gern sehen, daβ man von Ihren Entscheidungen an mich sich
wendet, u diese oder sonst eine Anordnung tadelt, die vielleicht
nothwendig u heilsam sind, die ich aber nicht kenne, u über
welche ich entweder gar nichts sprechen kann – u das mag
ich nicht – oder à tort et à travers sprechen muβ, u dann
leicht in Gefahr kommen könnte, etwas zu miβbilligen,
weil ich den Grund davon nicht einsehe – und das will ich noch weniger! Denn deβwegen zu
tadeln, weil ein Anderer es angeordnet hat, fällt mir
nicht ein; u das εἰς κοιρανος ἐστω beunruhiget mich
nicht; u könnte mich, wenn es der Fall wäre, in Beziehung
auf Sie nicht beunruhigen, da Sie alle Eigenschaften in
vollem Maaβe besitzen, um die Bibliotheks-Geschäfte
allein zu verwalten. Aber aus oben angeführten Gründen
wünsche ich, daβ Sie mir von wichtigen Beschlüssen u
Anordnungen dh. den Bibl. Notair Leibnitz entweder
mündlich oder schriftl. Nachricht gäben, u etwa
monatlich, oder aller Viertheljahre mit dem inneren
Zustande der Bibliothek mich, auf eine Ihnen beliebige
Art, bekannt machten. Ich werde Sie nie in Ihrem
Eifer u in Ihrer Thätigkeit stören; wohl aber glaube ich
daβ dad. Unannehmlichkeiten vorgebeugt wird, die
aus Mangel an Mittheilung von Ihrer Seite entstehen
können.
Nur noch eine Bitte. Sollte Sie dieser Brief beleidigen,
bey welchem ich mein Ich ganz aus dem Spiele gelassen,
u bloβ unser freundschaftl. Verhältniβ vor Augen
gehabt habe, u sollten Sie sich genöthigt sehen,
davon Gebrauch zu machen, oder wenigstens nicht
so freundschaftl. zu antworten; so haben Sie die
Güte u Freundschaft für mich, u lassen diesen
Brief abschreiben, u mir die Abschrift zu stellen. Ich
bin jetzt gerade mit Arbeiten überhäuft, u kann nicht
selbst mir Abschrift nehmen, die ich auch, aus Vertrauen
zu Ihrer Billigkeit, für unnöthig hielt, u nur in
dem oben angezeigten Falle, den ich mir kaum denken
kann, zu meiner Rechtfertigung nöthig seyn dürfte.
Mit Hochachtung u Freundschaft
Der Ihrige
am 9tn May 1806. Pöschmann
Kirjeldus
Hochgeschätzter Herr College,
Ich habe erst den Tag vor unsers geschätzten Hn Collegen Jäsche Abreise
die beiden Circulare, welche ich an die Directoren des allg. Lehrer-
Instituts absandte, zurück erhalten. Das eine, im Betreff des
Examens der beiden Stud. Wahlberg, ist von Ihnen nicht unter-
schrieben. Nach meinem Ermessen dürfte es wohl nun Zeit seyn, das
statutenmäβige Examen zu veranstalten, so schmerzlich mir auch
jetzt jeder Zeitverlust ist, da ich in diesem Semester fast alle meine
Vorlesungen dupliren muβ. Da unser Freund Jäsche nicht gegen-
wärtig ist, so werden wir allein das Geschäft zu besorgen
haben; u in so fern Sie nicht dagegen sind, so werde ich zu
den nächsten Ferien (zu Pfingsten) die beiden Wahlberg zu mir
bestellen, u sie examiniren. Lassen Sie mir gefällig wissen,
wann Sie die Candidaten einer Prüfung unterwerfen wollen,
damit ich sie in Ihre Wohnung schicken kann. – Kurz vor
dem Schluβ der Vorlesungen werde ich einmal mit dem
Journal der Direction zu Ihnen komme, damit wir in einer
halben Stunde über einige Punkte in demselben uns besprechen
können.
Vor einigen Tagen theilte mir H. Gauger ein Schreiben von Ihnen
mit, worin Sie ihm nur auf einen Theil seiner Forderung
eine Anweisung auf die Bibliotheks-Casse geben. Er klagte,
daβ er dadurch sehr zurückgesetzt würde, u daβ ihm, unter
diesen Umständen, die vom Conseil bewilligte Wohlthat
nicht zu statten kommen könne. Ich konnte nichts dazu sagen,
da ich den Bestand der Bibl. Casse noch nicht kenne. Andere
Arbeiten mögen den Bibl. Secretair abgehalten haben, mir einen
Auszug aus dem Cassabuche mitzutheilen. Mit dem Rector Parrot
habe ich deβhalb gesprochen. – Erlauben Sie, daβ ich jitzt als Freund
u als ein Mann, der gewiβ keine unbilligen Ansprüche macht,
mit Ihnen ein Wort des Friedens rede.
Ich glaube es ist nicht gut, daβ Sie in solchen Dingen, wie gerade
die Gaugersche Sache ist, mit mir durchaus keine Rücksprache nehmen.
Ich würde mich verachten, wenn ich einen Werth auf die Ehre
setzen könnte, nie Ja oder Nein sagen zu können; u ich müβte
nicht die Achtung für Sie haben, die ich wirklich hege, wenn
ich glauben könnte, daβ Sie eine Ehre darin suchen, allein
zu entscheiden. – Die gute Sache ist es, die Sie beabsichtigen;
u Sie sind der Meinung, daβ dieselbe durch jede Art von
Weitläufigkeit leidet. Daβ Weitläufugkeiten durch die Weise,
wie Geschäfte betrieben werden, geschaffen u vermehrt, aber auch
vermindert u völlig aufgehoben werden können, brauche ich
Ihnen nicht zu sagen. Auch bin ich der Mann nicht, der
hartnäckig auf einer Idee beharrte, bloβ weil sie
von ihm kam. Ich entziehe mich keiner Arbeit, wobey ich glaube
nützlich zu werden; u die Formen, die ich mir dabey gefallen
lassen muβ, sind mir um so weniger lästig, da ich immer
mehr einsehe, daβ das Formenwesen sein Gutes hat. –
Was Sie für eine Ansicht vom Geschäftsgange haben, weiβ
ich nicht; aber ich bin überzeugt, daβ die gute Sache
eher gewinnen als verliehren würde, wenn Sie mehr
Zutrauen gegen mich äuβerten. Die nächste Folge davon
würde seyn, daβ ich mit Lust arbeitete; denn aufrichtig
gestehe ich, daβ ich meine Bibliotheks-Geschäfte, unter
meinen übrigen Berufspflichten, am nachläβigsten betreibe; eben
weil ich – nichts zu thun habe. Und zweitens würden dann
Fälle, wie der oben angezeigte ist, nicht statt finden können;
Fälle die mir unangenehm seyn müssen, weil ich mir dabey
wie ein Statist auf der Bühne vorkomme – was ich nicht seyn
will, so lang ich meinen Lebensplan verfolgen kann – u
weil ich durch jede Äuβerung, jeden Schritt, die ich thäte,
collegialische Verhältnisse leicht verletzen könnte.
Zutrauen läβt sich aber nicht fodern, u ob ich es verdiene oder
nicht, davon kann hier nicht die Frage seyn. Ob ich gleiche
Rechte bey Bibliotheks-Angelegenheiten habe – darüber hat
das Conseil entschieden; ob die Pfs. Jäsche u Gaspari den
Auftrag desselben ausgerichtet haben, weiβ ich nicht; mir
ist es einerley. Damals sprach ich sine ira et studio;
in welcher Art – das mögen Freunde u Feinde unter meinen
Collegen erzählen! – Jetzt mache ich Sie auf etwas aufmerksam,
was, wie mich dünkt, nicht ganz übersehen zu werden
verdient. Der Fall tritt öfters ein, daβ ich über Bibliotheks-
Angelegenheiten gefragt werde. So sehr ich es nun auch meinem
Gefühl zuwider ist, dann als Unwissender zu erscheinen, so
würde ich doch auch dazu nicht sagen, wenn ich mich überzeugen
könnte, daβ der Gang der B. Geschäfte wirklich dadurch gewönne.
Aber vorzüglich überlasse ich es Ihrer Beurtheilung, ob Sie es
gern sehen, daβ man von Ihren Entscheidungen an mich sich
wendet, u diese oder sonst eine Anordnung tadelt, die vielleicht
nothwendig u heilsam sind, die ich aber nicht kenne, u über
welche ich entweder gar nichts sprechen kann – u das mag
ich nicht – oder à tort et à travers sprechen muβ, u dann
leicht in Gefahr kommen könnte, etwas zu miβbilligen,
weil ich den Grund davon nicht einsehe – und das will ich noch weniger! Denn deβwegen zu
tadeln, weil ein Anderer es angeordnet hat, fällt mir
nicht ein; u das εἰς κοιρανος ἐστω beunruhiget mich
nicht; u könnte mich, wenn es der Fall wäre, in Beziehung
auf Sie nicht beunruhigen, da Sie alle Eigenschaften in
vollem Maaβe besitzen, um die Bibliotheks-Geschäfte
allein zu verwalten. Aber aus oben angeführten Gründen
wünsche ich, daβ Sie mir von wichtigen Beschlüssen u
Anordnungen dh. den Bibl. Notair Leibnitz entweder
mündlich oder schriftl. Nachricht gäben, u etwa
monatlich, oder aller Viertheljahre mit dem inneren
Zustande der Bibliothek mich, auf eine Ihnen beliebige
Art, bekannt machten. Ich werde Sie nie in Ihrem
Eifer u in Ihrer Thätigkeit stören; wohl aber glaube ich
daβ dad. Unannehmlichkeiten vorgebeugt wird, die
aus Mangel an Mittheilung von Ihrer Seite entstehen
können.
Nur noch eine Bitte. Sollte Sie dieser Brief beleidigen,
bey welchem ich mein Ich ganz aus dem Spiele gelassen,
u bloβ unser freundschaftl. Verhältniβ vor Augen
gehabt habe, u sollten Sie sich genöthigt sehen,
davon Gebrauch zu machen, oder wenigstens nicht
so freundschaftl. zu antworten; so haben Sie die
Güte u Freundschaft für mich, u lassen diesen
Brief abschreiben, u mir die Abschrift zu stellen. Ich
bin jetzt gerade mit Arbeiten überhäuft, u kann nicht
selbst mir Abschrift nehmen, die ich auch, aus Vertrauen
zu Ihrer Billigkeit, für unnöthig hielt, u nur in
dem oben angezeigten Falle, den ich mir kaum denken
kann, zu meiner Rechtfertigung nöthig seyn dürfte.
Mit Hochachtung u Freundschaft
Der Ihrige
Pöschmann
am 9tn May 1806.